Page 10 - MAO TSE-TUNG AUSGEWÄHLTE WERKE Band III .indd
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                stellen. Nur auf diese Weise können wir uns die elementarsten Kennt-
                nisse über die Probleme der chinesischen Gesellschaft erwerben.
                    Dazu muß man erstens den Blick nach unten richten, darf man nicht
                den Kopf in die Luft heben und die Wolken anstarren. Wer nicht das
                Interesse hat und fest entschlossen ist, seine Blicke nach unten zu richten,
                der wird die Dinge in China bis ans Ende seiner Tage nicht wirklich
                verstehen.
                    Zweitens muß man Ermittlungsaussprachen abhalten. Durch bloßes
                Umsehen und vom Hörensagen gewinnt man überhaupt keine vollständi-
                gen Kenntnisse. Von den Materialien, die ich mit der Methode der
                Ermittlungsgespräche gesammelt habe, sind die Hunan und Djinggang-
                schan betreffenden verlorengegangen. Die hier vorliegenden Materia-
                lien bestehen in der Hauptsache aus der „Untersuchung in Hsingguo“,
                der „Untersuchung in der Gemeinde Tschanggang“ und der „Unter-
                suchung  in  der  Gemeinde  Tsaihsi“.  Die  Abhaltung  von  Ermittlungs-
                aussprachen ist die einfachste und am leichtesten durchzuführende,
                die sicherste und zuverlässigste Methode; sie hat mir viel Nutzen ge-
                bracht, und das ist eine bessere Schule als jede Universität. Die Leute,
                die man zu solchen Aussprachen heranzieht, sollen wirklich erfahrene
                Funktionäre der mittleren und unteren Stufe sowie einfache Bürger
                sein. Bei den Ermittlungen, die ich in fünf Kreisen Hunans und in zwei
                Kreisen des Djinggangschan-Gebiets vornahm, lud ich zu den Aus-
                sprachen verantwortliche Funktionäre der mittleren Ebene ein; bei der
                Untersuchung der Verhältnisse im Kreis Hsünwu zog ich Funktionäre
                der mittleren und der unteren Ebene heran sowie einen armen Hsiu-
                    [1]
                tsai , einen Expräsidenten der Handelskammer, der Bankrott gemacht
                hatte, und einen einfachen arbeitslosen Steuerbeamten der Kreisver-
                waltung. Sie alle teilten mir vieles mit, wovon ich bis dahin nie gehört
                hatte. So erhielt ich zum erstenmal ein vollständiges Bild von den
                verrotteten Zuständen in den chinesischen Gefängnissen, als ich wäh-
                rend meiner Ermittlungen im Kreis Hengschan, Provinz Hunan, einen
                gewöhnlichen Gefängniswärter befragte. Bei den Untersuchungen, die
                ich im Kreis Hsingguo sowie in den Gemeinden Tschanggang und
                Tsaihsi anstellte, nahmen an den Aussprachen Genossen, die auf Ge-
                meindeebene tätig sind, oder einfache Bauern teil. Diese Funktionäre
                und Bauern, der Hsiutsai, der Gefängnisaufseher, der Kaufmann und
                der Steuerbeamte — sie alle waren meine geschätzten Lehrer, und ich,
                als ihr Schüler, hatte mich ihnen gegenüber ehrerbietig, lerneifrig und
                kameradschaftlich zu verhalten; andernfalls hätten sie mit mir nichts
                zu tun haben wollen, mir nichts gesagt, obwohl sie etwas wissen, oder
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